Sociokratie

Sociokratie, auch Sociocracy genannt, ist ein Governance-Ansatz, der darauf abzielt, partizipiertere und effizientere Entscheidungsprozesse zu ermöglichen. Zentrales Merkmal ist der konsentbasierte Entscheidungsfindungsprozess, der statt Mehrheitsbeschlüssen auf eine Zustimmung aller Betroffenen abzielt. Entscheidungen werden getroffen, sofern kein bekannter, begründeter Einwand gegen den Vorschlag besteht.

Kernprinzipien der Sociokratie sind Konsent statt Mehrheitsbeschluss, Kreisorganisation, doppelte Verlinkung, Gleichberechtigung der Einflussmöglichkeiten und Transparenz. Circles (Kreise) sind semi-autonome Einheiten, die für definierte Bereiche verantwortlich sind. Jeder Kreis wählt Vertreter in übergeordnete Kreise (double-linking), um Informationsfluss und Kohärenz zwischen Ebenen sicherzustellen. Rollen und Verantwortlichkeiten sind festgelegt, und es gibt klare Prozesse für die Entscheidungsfindung, Planung und Überprüfung.

Aufbau und Prozesse: Typischerweise gibt es operative Kreise, die konkrete Aufgaben erledigen, sowie einen Lenkungs- oder Governance-Kreis, der Richtlinien festlegt. Entscheidungen auf Kreisebene erfolgen durch Konsent, während übergeordnete Richtlinien durch einen übergreifenden Kreis koordiniert werden. Die Praxis betont Rückmeldungen, regelmäßige Review-Schleifen und die Anpassung von Strukturen an veränderte Gegebenheiten.

Geschichte: Die Sociokratie entstand in den Niederlanden in der Mitte des 20. Jahrhunderts und wurde in den 1970er-Jahren von dem Ingenieur Gerard Endenburg weiterentwickelt. Sie baut auf Ideen aus kooperativen Bewegungen, Organisationstheorie und, in gewissem Sinn, auf Vorläufern aus der Quäker-Gewinnschaft über partizipative Entscheidungsformen auf. Seitdem wird sie in Unternehmen, Schulen, gemeinnützigen Organisationen und Gemeinschaften angewandt und weiterentwickelt, unter anderem in Varianten wie Sociocracy 3.0.

Anwendungen und Kritik: Befürworter sehen Vorteile in größerer Einbindung, Transparenz und Lernen in Organisationen; Kritiker weisen auf potenzielle Komplexität, längere Entscheidungswege und den Bedarf an qualifizierter Moderation und Schulung hin. Der Erfolg hängt von Kultur, Engagement und kontinuierlicher Facilitation ab.