Verkehrssitte

Verkehrssitte bezeichnet im Straßenverkehr allgemein übliche Verhaltensweisen, die zwar nicht ausdrücklich in Gesetzen oder Verordnungen festgelegt sind, aber als erwartete Rücksichtnahme und ordnungsgemäße Verhaltensweise gelten. Sie ergänzt formale Regeln wie die Straßenverkehrsordnung (StVO) und bildet oft die Grundlage dafür, wie Verkehrsteilnehmer miteinander zurechtkommen.

In der Rechtslehre hat Verkehrssitte eine erklärende Funktion: Sie hilft, situativ zu beurteilen, ob eine Handlung als fahrlässig oder unverantwortlich gilt, insbesondere wenn kein konkreter Rechtsverstoß vorliegt. Gleichzeitig ist Verkehrssitte kein eigenständiger Straftat- oder Bußgeldgrund, sondern kann bei der Beurteilung von Haftung und Sorgfaltspflicht eine Rolle spielen.

Typische Beispiele umfassen die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr: Fußgängerüberwege zügig prüfen und trotz Zebrastreifen Vorrang geben, beim Abbiegen rechtzeitig und hörbar blinken, ausreichend Abstand halten und andere Verkehrsteilnehmer nicht behindern, beim Parken nicht Rettungswege oder Ein- und Ausstiege blockieren, sowie Hupen auf das notwendige Maß beschränken und nur als Warnsignal verwenden. In praktischer Hinsicht können regionale Unterschiede bestehen, doch gilt in der Regel eine grundlegende Erwartung gemeinsamer Rücksicht.

Verkehrssitte ist damit ein wichtiger Orientierungspunkt neben den konkreten Regeln der StVO. Sie spiegelt die alltägliche Praxis wider und wird bei der Beurteilung von Verkehrsgeschehen, insbesondere in Unglücken und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, herangezogen.