Mehrheitskultur

Mehrheitskultur bezeichnet in der Soziologie und Politikwissenschaft die vorherrschende Kultur einer Gesellschaft. Sie umfasst die gemeinschaftlich geteilten Werte, Normen, Symbole, Sprache, Rituale und Institutionen, die von der Mehrheit getragen und weitergegeben werden. Die Mehrheitskultur prägt Alltagspraktiken und Strukturen wie Bildung, Medien, Sprache, Rechtssystem und politische Entscheidungen. Gleichzeitig beeinflusst sie, welche kulturellen Ausdrucksformen als legitim gelten und welche als marginalisiert oder ausgeschlossen.

In vielen Gesellschaften entsteht Mehrheitskultur durch historische Entwicklungen, Migration, Kolonialismus und Machtverhältnisse. Ihre Merkmale können sich im Laufe der Zeit verändern, etwa durch Zuwanderung, Globalisierung oder politisch-rechtliche Veränderungen. Der Begriff wird oft verwendet in Debatten über Integration, Pluralismus und kulturelle Vielfalt: Eine gemeinsame Mehrheitskultur kann Stabilität und soziale Kohäsion fördern; sie kann aber auch dazu führen, dass Minderheitensprachen und -brauchtümer marginalisiert oder unter Druck gesetzt werden.

Kritisch wird der Begriff oft gesehen, weil er kulturelle Heterogenität zu einer festen Struktur vereinfacht und eine Gleichsetzung von Kultur mit ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit nahelegt. Moderne Analysen betonen stattdessen die Dynamik von Mainstream- oder Dominanzkulturen und deren Überschneidungen mit Klassen-, Geschlechts- und Rassenverhältnissen. In pluralistischen Gesellschaften streben Politik, Bildung und Medien nach einem Gleichgewicht von Mehrheitskultur und Minderheitensprachen, -praktiken und Repräsentation, um Inklusion zu fördern.

Historische Beispiele variieren stark zwischen Ländern und Kontexten. In Deutschland äußert sich Mehrheitskultur oft in der Amtssprache, nationalen Feiertagen, schulischer Bildung und dem Mediensystem; in multikulturellen Kontexten kann sie sich in diskursiven Normen und Leitbildern manifestieren.