Zinsstrukturmodellen

Zinsstrukturmodelle beschreiben die zeitliche Dynamik der gesamten Zinsstruktur, also der Zinskurve in Abhängigkeit von der Laufzeit. Sie dienen der Preisbildung festverzinslicher Wertpapiere und Zinsderivate, der Risikoanalyse und der Generierung von Szenarien.

Man unterscheidet grob zwischen Kurzsatzmodellen und Forward-Rate-/HJM-Modellen. Kurzsatzmodelle wie Vasicek, CIR oder Hull-White modellieren die Dynamik des kurzen Zinssatzes und leiten die Zinsstruktur über arbitragefreie Beziehungen ab. Forward-Rate-Modelle (z. B. Heath-Jarrow-Morton) modellieren direkt die Dynamik der Forward-Zinskurve; LIBOR-Markt-Modelle (Brace-Gatarek-Musiela) sind Market-Models für Zinsswaps. Parametrische Yield-Curve-Modelle wie Nelson-Siegel oder Svensson versuchen, die aktuelle Zinsstruktur möglichst parsimonisch zu beschreiben, dienen aber primär der Initialkurve-Festlegung statt der vollständigen Dynamik.

Die Modelle werden typischerweise an der aktuellen Yield Curve kalibriert und mit historischen oder prozessspezifischen Volatilitäten versehen. Sie ermöglichen die Bewertung von Anleihen, Swaps, Kap-/Floor-Optionen und anderen Zinsderivaten sowie die Generierung von Szenarien für Risikomanagement und Umfeldanalysen. In der Praxis erfolgt oft eine Kombination verschiedener Modelltypen; die Wahl hängt von der Praxisnähe, der zu modellierenden Laufzeitrange und dem gewünschten Derivatumfang ab.

Zu den zentralen Herausforderungen gehören Modellrisiko, Kalibrierungsstabilität, negative Zinsen und Re-Calibration-Effekte sowie der Rechenaufwand bei komplexeren Modellen. Kurzsatzmodelle ermöglichen eine einfache Implementierung, können aber Artefakte bei der kurzen Zinsdynamik verursachen; HJM- und Market-Modelle bieten mehr Flexibilität zu Kosten höherer Rechenleistung.