Erwartungspfad

Erwartungspfad bezeichnet in der Wahrscheinlichkeitstheorie den zeitlichen Verlauf der Erwartungswerte eines stochastischen Prozesses. Formell ist der Erwartungspfad die Funktion t ↦ E[X_t], vorausgesetzt, der Erwartungswert existiert. Er liefert eine deterministische Kurve, die den mittleren Trend des Prozesses widerspiegelt, aber nicht notwendigerweise einen der Realisationen des Prozesses darstellt.

Verwendungen: In vielen Anwendungen dient der Erwartungspfad als deterministische Approximation eines stochastischen Systems, etwa im Mean-Field-Ansatz oder in der großen-Teilchen-Grenze, oder wenn man die stochastische Dynamik durch eine Differentialgleichung für den Erwartungswert ersetzt. Falls X_t einem Stochastic-Differential-Equation (SDE) folgt, dX_t = a(X_t,t) dt + b(X_t,t) dW_t, ergibt sich formal d/dt E[X_t] = E[a(X_t,t)], denn der Erwartungswert des Ito-Terms verschwindet. Die Gleichung ist jedoch oft nicht abgeschlossen, da E[a(X_t,t)] von höheren Momenten abhängen kann; Momentenclosure-Methoden oder deterministische Grenzmodelle werden dann eingesetzt.

Beispiele: Bei X_t = μ t + σ W_t ist E[X_t] = μ t, und der Erwartungspfad wächst linear mit t. Die Varianz Var(X_t) = σ^2 t zeigt, dass Pfade um den Erwartungspfad streuen. In nichtlinearen Modellen kann E[a(X_t,t)] viel stärker von den Verteilungen abhängen und der Erwartungspfad weicht von typischen Realisationen ab.

Limitationen: Der Erwartungspfad liefert nur den mittleren Trend und kann irreführend sein, wenn die Verteilung stark asymmetrisch ist oder Nichtlinearitäten die Beziehung zwischen Erwartungswert und typischem Pfad verzerren. Daher wird er häufig zusammen mit Verteilungen oder Momentenprofilen betrachtet.

Siehe auch: Erwartungswert, Mean-Field-Theorie, deterministische Grenzmodelle, Fokker-Planck-Gleichung, most probable path.