Sozialisierung

Sozialisierung bedeutet in der Soziologie den Prozess, durch den Individuen die kulturellen Normen, Werte, Verhaltensweisen und Rollen ihrer Gesellschaft erlernen, verarbeiten und internalisieren. Durch Sozialisierung entwickeln Menschen Identität, Orientierung und die Fähigkeit, in sozialen Interaktionen angemessen zu handeln. Der Prozess beginnt früh in der Familie und setzt sich während des gesamten Lebens fort, wobei sich die Inhalte von Normen und Rollen je nach Lebensphase, sozialem Umfeld und historischen Bedingungen verändern.

Ganz wesentlich sind die Sozialisationsagenten: die Familie als primäre Sozialisationsinstanz, Schulen und Bildungseinrichtungen, Gleichaltrigengruppen, Medien und digitale Räume, Arbeitswelt, Religion und öffentliche Institutionen. Migration, soziale Herkunft, Geschlecht und kultureller Kontext beeinflussen, wie Normen vermittelt, akzeptiert oder hinterfragt werden. Sozialisierung ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein fortlaufender Austausch, in dem Individuen Rollen proben und anpassen.

Man unterscheidet meist primäre und sekundäre Sozialisierung. Primäre Sozialisierung erfolgt in der Familie in der frühen Kindheit; sekundäre Sozialisierung umfasst Schule, Freundeskreise, Arbeitsplatz und andere Lebensbereiche. Antizipatorische Sozialisierung bereitet auf künftige Rollen vor, während Resozialisierung oder Re-Sozialisierung erforderlich sein kann, etwa nach einer Verlagerung sozialer Umstände, im Strafvollzug oder bei Migration. Soziologen sprechen auch von internalisierten Strukturen, die Verhaltensweisen stabilisieren.

Auf theoretischer Ebene gibt es verschiedene Ansätze. Funktionale Ansätze sehen Sozialisierung als Verfahren, das die soziale Ordnung erhält. Symbolischer Interaktionismus betont, wie Bedeutungen in Interaktionen aushandelt werden. Kritische Perspektiven betonen Macht- und Ungleichheitsverhältnisse, etwa wie Klassen-, Geschlechter- oder Rassenstrukturen reproduziert oder verändert werden. Zunehmend wird auch die Rolle von Medien und Globalisierung hervorgehoben, die Transformationsprozesse, Wertewandel und identitätsbezogene Konflikte beeinflussen.