Neuübersetzung

Neuübersetzung, auch als Retranslation bezeichnet, ist die erneute Übersetzung eines Textes in eine Zielsprache, die nach einer bereits vorhandenen Übersetzung entsteht. Sie kann sich auf literarische Werke, Sachtexte oder kulturhistorische Quellen beziehen und bildet damit eine Form der Übersetzungsgeschichte, in der mehrere Übertragungen desselben Originals koexistieren oder nacheinander auftreten.

Gründe und Motivation für Neuübersetzungen liegen häufig in sprachlicher Aktualisierung, kultureller Wandelung oder methodischen Veränderungen in der Übersetzungswissenschaft. Neue Übersetzerinnen und Übersetzer können aktuelle Sprachnormen, stilistische Erwartungen des jeweiligen Lesepublikums oder neue philologische Einsichten berücksichtigen. Zudem ermöglichen Neuübersetzungen eine andere interpretative Lesart des Originals, zum Beispiel durch eine neue Adaption von Begrifflichkeiten, Tonalität oder gendergerechter Sprache. Manchmal dienen sie auch dazu, mangelhafte oder veraltete frühere Übersetzungen zu ersetzen oder Editions- und Textkundigkeit stärker zu berücksichtigen, etwa durch Rückgriff auf ursprüngliche Manuskripte.

Verfahren und Spannungen rund um Neuübersetzungen umfassen Fragen des Übersetzungsauftrags, der Treue zum Original versus Leserorientierung, und der Abgrenzung zu Revisionen vorhandener Übersetzungen. Es besteht oft ein Spannungsfeld zwischen Kontinuität mit der bisherigen Rezeption und der Offenheit gegenüber einer modernen Lesepraxis. Die Rezeption von Neuübersetzungen variiert: Sie kann neue Leserschichten erschließen, aber auch Kritik auslösen, wenn Leser eine Abweichung von der textprägenden Wirkung der früheren Übersetzung wahrnehmen.

In der Forschung wird Neuübersetzung als wichtiger Bestandteil der Übersetzungsgeschichte und des kulturübergreifenden Dialogs betrachtet. Sie trägt zur Diversität der Textvermittlung und zur Reflexion über Übersetzungspraktiken bei.