Übersetzungstreue

Übersetzungstreue bezeichnet in der Übersetzungswissenschaft den Grad, in dem eine Übersetzung dem Ausgangstext in Bezug auf Inhalt, Sinn, Struktur und Absicht treu bleibt. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen Quelle und Zieltext und bezieht sich sowohl auf inhaltliche Treue als auch auf formale Merkmale wie Wortwahl, Satzbau und Stilregister. Je nach theoretischem Ansatz kann “Treue” different bewertet werden: manche Ansätze priorisieren die wörtliche Wiedergabe, andere legen mehr Gewicht auf die Übertragung von Bedeutung, Funktion oder Wirkung im Zieltext.

Historisch gehört die Frage nach Übersetzungstreue zu den grundlegenden Debatten der Translationstheorie. Friedrich Schleiermachers Unterscheidung von wörtlicher (Treue zur Quelle) versus freier Übersetzung (Anpassung an die Zielkultur) gehört zu den frühesten einflussreichen Positionen. In der modernen Praxis werden Konzepte wie Äquivalenz oder Funktionalität herangezogen, wobei dynamische Äquivalenz (Bedeutung, Wirkung beim Leser des Ziels) und formale Äquivalenz (Beibehaltung von Struktur und Form) diskutiert werden. In deutschsprachiger Fachliteratur wird Übersetzungstreue oft neben Lesbarkeit, Natürlichkeit und kultureller Angemessenheit betrachtet.

Kritisch wird berichtet, dass ein überbetontes Streben nach Treue zu Missverständnissen oder Ungenauigkeiten führen kann, insbesondere wenn kulturelle Kontexte, Textgattung oder Zielpublikum stark variieren. Viele Praktiker streben daher eine ausgewogene Treue an: der Übersetzer bleibt dem Sinn und der Funktion des Originals treu, ohne die Lesbarkeit oder kulturelle Verständlichkeit im Zieltext zu gefährden.