Melodieverfolgung

Melodieverfolgung bezeichnet die Fähigkeit, einer Melodie in einer komplexen Klangwelt über die Zeit hinweg zu folgen, sowie entsprechende computergestützte Verfahren zur Bestimmung einer Melodielinie aus polyphonem Material. Kernaspekte sind die Melodiekontur (Tonhöhe), Rhythmus und Phrasenstruktur, wobei Kontext, Aufmerksamkeit und Erwartung eine Rolle spielen.

In der kognitiven Musikforschung wird Melodieverfolgung als Teil der auditiven Sinnesthematik betrachtet: Zuhörer gruppieren akustische Ereignisse zu Kontinuitäten, verfolgen eine dominante Melodielinie und lösen Fortsetzungsannahmen basierend auf Mustererkennung, tonaler Funktion und Rhythmus. Die Wahrnehmung kann durch Hintergrundstimmen, Timbrewechsel oder tempo- sowie taktwechsel beeinflusst werden und erfordert oft Aufmerksamkeitslenkung.

Technisch gesehen umfasst Melodieverfolgung in der Musiksignalverarbeitung die Melodielinetracking- oder Melodiextraktionsaufgabe. Typische Ziele sind die Identifikation der singenden Melodie, das Verfolgen der F0-Linie über die Zeit sowie Robustheit gegenüber Harmonien, Timbreveränderungen und polyphonem Begleitsatz. Typische Ansätze umfassen F0-Schätzung, Chromatikeinträge, Hidden-Markov-Modelle, probabilistische Modelle und neuronale Netze; häufig werden Verfahren zur Klangtrennung (Source Separation) mit Melodieverfolgung kombiniert.

Anwendungen finden sich in automatischer Transkription, Musikdatenbanken und -suche, Gesangstrennung, Musikpädagogik sowie interaktiven Musiksystemen. Begrenzungen ergeben sich aus starker Klangüberlagerung, timbralen Veränderungen, polyphonem Kontext und unvorhergesehenen Harmoniewechseln, die die eindeutige Zuordnung der Melodielinie erschweren. Melodieverfolgung ist ein interdisziplinäres Feld zwischen Musikpsychologie, Signalverarbeitung und maschinellem Lernen.