Zeitpräferenzen

Zeitpräferenzen bezeichnet die individuelle Gewichtung von Nutzen, der zu verschiedenen Zeitpunkten entsteht. Der Zeitpräferenz- oder Diskontierungsgrad spiegelt wider, wie stark Gegenwart dem zukünftigen Nutzen vorgezogen wird. Ein hoher Zeitpräferenzwert bedeutet eine stärkere Bevorzugung gegenwärtiger Güter gegenüber zukünftigen.

In der Ökonomik wird intertemporale Entscheidung oft durch Diskontierung modelliert. Bei der Exponentialdiskontierung lautet der Nutzwert U = ∑ δ^t u(c_t) mit konstantem Diskontierungsfaktor δ = 1/(1+r). Sie führt zu zeitkonsistentem Verhalten. Hyperbolische Diskontierung führt hingegen zu fallenden Diskontierungsraten über längere Horizonte und zu Present Bias, also einer stärkeren Gegenwartspräferenz als in der klassischen Theorie vorhersagt.

Anwendungsgebiete reichen von Spar- und Investitionsentscheidungen über Ruhestandsplanung bis hin zu Bildungs- und Gesundheitsentscheidungen. In der öffentlichen Politik wird oft der Social Discount Rate (SDR) verwendet, um Kosten und Nutzen über Generationen hinweg zu bewerten. Die Messung von Zeitpräferenzen erfolgt durch Befragungen, Experimente oder durch Ableitung aus beobachtbarem Verhalten (revealed preference). Unterschiede in Alter, Einkommen, Kultur und Risikowahrnehmung beeinflussen die individuellen Zeitpräferenzen.

Diskussionen über Zeitpräferenzen berühren ethische Fragen, insbesondere bei Klimapolitik und langfristigen Umweltentscheidungen. Eine starke Gegenwartspräferenz kann zukünftiges Wohlergehen überschätzen; alternative Ansätze schlagen niedrigere oder abnehmende Diskontierungsraten vor. Kritik bezieht sich auf Unsicherheit, normative Annahmen und die Schwierigkeit, Langfristik zuverlässig zu bewerten.