Kapillärfenomen

Kapillärfenomen, auch als Kapillarität bezeichnet, beschreibt das Aufsteigen oder Absenken von Flüssigkeiten in engen Spalten, Röhren oder Poren infolge der Wechselwirkung zwischen Flüssigkeit und festem Träger. Die Ursache liegt in der Adhäsion der Flüssigkeit an der Oberfläche und in der Kohäsion zwischen den Flüssigkeitsmolekülen. Gut benetzende Oberflächen (kleiner Kontaktwinkel θ) fördern Aufstieg, schlecht benetzende Oberflächen (θ > 90°) können dagegen Absenkung bewirken.

Der zentrale Zusammenhang lässt sich durch das Jurin-Gesetz ausdrücken: Die Höhe h des Aufstiegs in einer Kapillare mit Radius r ist h = 2 γ cos θ / (ρ g r), wobei γ die Oberflächenspannung, ρ die Dichte und g die Erdbeschleunigung ist. In Porenmaterialien wie Böden ersetzt man oft die Kapillarröhre durch den kapillaren Aufstieg in feinen Poren; dort bestimmt der Porenradius die Höhe des Aufstiegs bzw. die Saugkraft. Kapilläre Phänomene treten insbesondere bei kleinen Radien stärker auf und nehmen mit zunehmender Größenordnung ab.

Typische Beispiele umfassen das Aufsteigen von Wasser in dünnen Glasröhrchen, das Wicking von Flüssigkeiten in Fasern oder Papier, den Transport von Wasser in Pflanzengewächsen (Xylem) sowie das Eindringen von Tinte oder Klebstoffen in Materialien. In der Bodenkunde beeinflusst der kapillare Aufstieg die Verfügbarkeit von Wasser in der Wurzelzone und die Bildung des kapillaren Randes.

Anwendungen finden sich in Chromatographie, Mikrofluidik, Tintenstrahldruck, Textiltechnik und Feuchtigkeitsmanagement. Das Kapillarphänomen hängt von Temperatur, Oberflächenbeschaffenheit und Flüssigkeitseigenschaften ab und wird durch Gravitation begrenzt, insbesondere in größeren Systemen.