Interpretivismus

Interpretivismus, häufig auch als interpretative Forschung bezeichnet, ist ein methodologischer Ansatz in den Sozialwissenschaften, der das Verstehen von menschlichem Handeln und sozialen Phänomenen durch die Interpretation von Bedeutungen betont. Im Gegensatz zum positivistischen Paradigma, das nach objektiven Gesetzmäßigkeiten sucht und quantitative Messungen bevorzugt, stellt der Interpretivismus die subjektive Sichtweise der Akteure in den Mittelpunkt. Er geht davon aus, dass soziale Realität kulturabhängig, kontextbezogen und durch die individuellen Bedeutungszuweisungen von Personen konstruiert ist.

Die Wurzeln des Interpretivismus liegen in der Geisteswissenschaft, insbesondere in der hermeneutischen Tradition von Wilhelm Dilthey, Hans-Georg Gadamer und Max Weber. Weber prägte die Idee des „Verstehens“ (Verstehen) als methodisches Prinzip, indem er betonte, dass soziale Handlungen nur im Licht der von den Handelnden selbst angegebenen Motive nachvollziehbar sind.

Typische Methoden des Interpretivismus umfassen teilnehmende Beobachtung, offen gestaltete Interviews, Fallstudien und Dokumentenanalyse. Ziel ist es, ein tiefes, kontextualisiertes Bild von sozialen Prozessen zu erlangen, das über reine Zahlenwerte hinausgeht. Die Datenauswertung erfolgt häufig durch induktives Vorgehen, bei dem Muster und Theorien aus den gesammelten Beschreibungen herausgearbeitet werden.

Kritiker bemängeln, dass interpretative Ergebnisse schwer zu verallgemeinern und potenziell von Forschenden stark beeinflusst seien. Befürworter argumentieren jedoch, dass die Berücksichtigung von Bedeutungen und Kontext essentielle Einsichten liefert, die rein quantitative Analysen vernachlässigen. Der Interpretivismus bleibt ein zentraler Ansatz, insbesondere in Bereichen wie Soziologie, Anthropologie, Erziehungswissenschaften und Organisationsforschung.