Hauptdehnungen

Hauptdehnungen, im Englischen principal strains, sind die normalen Dehnungen eines Körpers in den Richtungen, in denen die Verzerrung keine Scheranteile besitzt. Sie entsprechen den Eigenwerten des Verzerrungstensors und geben die maximale bzw. minimale Dehnung unabhängig von der Orientierung des Messsystems an.

Im Rahmen der linearen, kleinen Deformation wird der Verzerrungstensor ε als ε = (∇u + ∇u^T)/2 gebildet, wobei u die Verschiebungsfelder beschreibt. Die Hauptdehnungen e1, e2 und e3 ergeben sich als Eigenwerte von ε, und die zugehörigen Eigenvektoren liefern die Hauptrichtungen. In zwei Dimensionen existieren zwei Hauptdehnungen, in drei Dimensionen drei, wobei im Ganzen die Grössen in absteigender Reihenfolge e1 ≥ e2 ≥ e3 gewählt werden.

Bei größeren Deformationen muss ein anderes Verzerrungsmaß verwendet werden, z. B. der Green-Lagrange-Verzerrungstensor E = 1/2(F^T F − I) mit der Deformationsgradienten F. Die Hauptdehnungen entsprechen dann den Eigenwerten von E, und die Hauptrichtungen sind die Eigenvektoren hierzu. Damit unterscheiden sich die ermittelten Werte je nach verwendetem Verzerrungsmaß, weshalb die Unterscheidung zwischen linearer und nichtlinearer Verzerrung wichtig ist.

Eigenschaften und Anwendungen: Die Hauptdehnungen sind rotationsinvariant und liefern eine eindeutige, directionsabhängige Beschreibung der Dehnung. Sie werden in der Strukturanalyse, Werkstoffkunde und beim Versagen- bzw. Bruchkriterium verwendet, etwa durch die maximale Hauptdehnung. Die Reihenfolge e1 ≥ e2 ≥ e3 erlaubt eine kompakte Bewertung der Spannungs- bzw. Dehnungskombinationen in dreidimensionalen Systemen.