Differenzierungstherapie

Differenzierungstherapie ist eine Form der Krebsbehandlung, die darauf abzielt, bösartige Zellen durch gezielte Beeinflussung von Differenzierungswegen dazu zu bringen, sich zu reifen, funktionellen Zellen zu entwickeln. Dadurch verlieren die Zellen ihr ungebrochenes Proliferationspotenzial und die Krankheit kann in vielen Fällen stabilisiert oder remittiert werden. Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass manche Krebszellen durch einen Block der normalen Zellreifung gekennzeichnet sind.

Der therapeutische Mechanismus nutzt oft molekulare Targets oder epigenetische Modulation, um Differenzierungsprozesse zu aktivieren oder zu normalisieren. Besonders evident ist dies in der Behandlung der akuten promyelozytären Leukämie (APL), wo deren charakteristische Fusion PML-RARα den Differenzierungsprozess blockiert. Durch den Einsatz von all-trans-Retinsäure (ATRA) und Arsentrioxid (As2O3) wird dieser Block überwunden, was häufig zu Remissionen führt.

Zu den zentralen Beispielen der Differenzierungstherapie gehören Retinoide wie ATRA und isotretinoin (13-cis-Retinsäure), die in bestimmten Leukämien und im Neuroblastom eine Rolle spielen. Abseits der Hämatologie wird an weiteren Krebserkrankungen geforscht, in denen Differenzierung das Wachstum kontrollieren könnte. Vorteilhaft ist oft ein geringeres akutes Toxizitätspotenzial im Vergleich zu aggressiver zytotoxischer Chemotherapie; dennoch treten spezifische Risiken auf, etwa das Differenzierungs-Syndrom bei APL, oder andere retinoide Nebenwirkungen.

Historisch gilt die Differenzierungstherapie als Wendepunkt in der Behandlung der APL in den 1980er/1990er Jahren und hat die Perspektiven dieser Erkrankung grundlegend verändert. Gegenwärtig ist sie fest in der Behandlungsstrategie der APL verankert, während ihre Anwendung in anderen Tumoren weiter untersucht wird.