Kinetikmodelle

Kinetikmodelle sind mathematische oder rechnergestützte Modelle, die das zeitliche Verhalten von Systemen beschreiben, in denen Größen wie Konzentrationen, Populationsgrößen oder Aktivierungssummen durch Ratenprozesse verändert werden. Ziel ist es, Mechanismen zu verstehen, Wirkungsgrade abzuschätzen, Reaktionswege zu vergleichen und Vorhersagen über die Dynamik zu ermöglichen.

In der Praxis werden Kinetikmodelle oft als Differentialgleichungssysteme formuliert. Deterministische Modelle verwenden gewöhnliche oder partielle Differentialgleichungen mit Rategesetzen wie dem Gesetz der Mass Action, Michaelis-Menten-Kinetik oder dem Arrheniusgesetz. Bei kleinen Systemen oder wenn Zufälligkeiten eine Rolle spielen, kommen stochastische Modelle zum Einsatz, etwa Markov-Ketten oder der Gillespie-Algorithmus.

Der Aufbau umfasst die Definition von Systemgrenzen, die Formulierung eines Reaktionsnetzwerks, die Auswahl von Parameterwerten und Anfangsbedingungen, sowie die Schätzung und Identifizierung der Parameter aus Messdaten. Modelle werden kalibriert, validiert und Sensitivitätsanalysen unterzogen, um Robustheit und Unsicherheit abzuschätzen.

Anwendungen finden sich in der Chemie (Reaktionskinetik), Biochemie und Enzymkinetik, Pharmakokinetik und Pharmakodynamik, Umweltchemie, Materialwissenschaften und Epidemiologie. Beispiele sind Michaelis-Menten-Modelle für Enzyme, die Arrhenius-Temperaturabhängigkeit von Reaktionsraten oder PK/PD-Modelle, die Konzentrationen von Medikamenten im Körper beschreiben.

Kinetikmodelle liefern nützliche Einsichten, sind jedoch Vereinfachungen der Realität. Ihre Aussagekraft hängt von der Qualität der Daten, der Wahl des Modells und der Parameteridentifizierbarkeit ab. Fehlende Mechanismen oder ungenaue Parameter können zu unsicheren Vorhersagen führen.