Erzählerstimmen

Erzählerstimme bezeichnet in der Erzähltheorie die Stimme, durch die eine Geschichte erzählt wird. Sie umfasst den erzählerischen Standpunkt, Tonfall, Stilmittel und die Bewertungsposition des Erzählers. Die Erzählerstimme ergibt sich aus der Wahl des Erzählers, der Fokalisierung und dem Grad an Kommentar oder Interpretation, mit dem der Erzähler dem Leser begegnet. Sie beeinflusst, wie Wirklichkeit konstruiert erscheint und wie nah der Leser der erzählten Welt kommt.

Zu den wichtigsten Typen gehören der Ich-Erzähler, der in der ersten Person berichtet und oft subjektive Innenwelten vermittelt; der personale Erzähler, der in der dritten Person eine Figur fokussiert und deren Sichtweise widerspiegelt; der auktoriale oder allwissende Erzähler, der komentierend über Ereignisse aller Figuren informiert und oft eine übergeordnete Perspektive einnimmt; und der neutrale Erzähler, der außenstehend berichtet, häufig ohne persönliche Wertung. In vielen Texten finden sich Mischformen oder mehrfach wechselnde Stimmen, die als multiperspektivische oder multi-voiced Erzählerstimmen bezeichnet werden.

Weitere zentrale Merkmale sind Zuverlässigkeit und Distanz. Ein unzuverlässiger Erzähler verzerrt Informationen absichtlich oder unbewusst, wodurch die Interpretation des Lesers herausgefordert wird. Verfügt die Erzählerstimme über hohe Distanz, wirkt die Darstellung analytischer oder ironischer; eine enge Distanz ermöglicht unmittelbare Identifikation mit Figuren und Gefühlen. Die Erzählerstimme arbeitet eng mit der Fokalisierung (wer sieht, wer weiß was) zusammen und prägt so Ton, Rhythmus und Sinndeutung des Werks.

In der modernen Literatur und verwandten Medien dient die Analyse der Erzählerstimme dazu, Verfahren der Wirklichkeitsvermittlung, Ironie, Identifikation und Leserführung zu verstehen.