DriftDiffusionsModell

Das Drift-Diffusions-Modell (DDM) ist ein stochastisches Entscheidungsmodell, das beschreibt, wie Beweise für eine von zwei Optionen über die Zeit akkumuliert werden, bis eine Entscheidung durch das Überschreiten einer Barriere getroffen wird. Es wird in der kognitiven Psychologie und Neurowissenschaft verwendet, um Reaktionszeiten und Entscheidungsgenauigkeit in Zwei-Alternative-Aufgaben zu erklären.

Mathematische Grundlage: Das Modell beschreibt die zeitliche Entwicklung eines Entscheidungsvorgangs durch einen stochastischen Prozess X_t, der sich nach der Gleichung dX_t = v dt + s dW_t entwickelt. Dabei steht v für die Driftrate (Beweisstärke oder Evidenz), s für die Streuung (Rauschanteil) und W_t für einen standardb Wiener-Prozess. Die Entwicklung beginnt bei X_0 = z und endet, sobald X_t eine der beiden Barrieren 0 oder a erreicht. Die Barrierehöhe a kodiert die benötigte Evidenz, um eine der beiden Alternativen zu wählen; z spiegelt eine mögliche Bias (Voreingenommenheit) wider. Zusätzlich wird oft eine Nicht-Entscheidungszeit t0 eingeführt, die Vorbereitungs- und Ausführungsprozesse umfasst.

Parameter und Interpretation: Drift v bestimmt die Geschwindigkeit der Evidenzsammlung (je größer |v|, desto schneller und tendenziell genauer die Entscheidung in Richtung der bevorzugten Alternative). Die Barrierehöhe a beeinflusst den Trade-off zwischen Schnelligkeit und Genauigkeit. Der Startwert z modelliert Bias gegenüber einer der Alternativen. Die Streuung s beschreibt das Rauschen im Evidenzfluss; oft wird die Skalierung so gewählt, dass s = 1 oder in relationen zur Zeit skaliert wird. Erweiterungen umfassen kollabierende Barrieren (Urgency), Leaky-Integrationsvarianten und Mehralternativen-Modelle.

Anwendungen und Estimation: DDMs erklären häufige Muster in Reaktionszeiten und Fehlerquoten in Aufgaben wie Zwei-Alternativenentscheidungen. Parameter lassen sich mit Maximum-Likelihood, Bayesianischer Inferenz oder hierarchischen Ansätzen schätzen (z. B. HDDM). Neurophysiologische Befunde, etwa rampende Aktivität in bestimmten Hirnarealen, lassen sich oft als Korrelate der tiefere Drift oder Grenzüberwindung interpretieren.

Historischer Kontext: Das Modell wurde maßgeblich von Roger Ratcliff in den 1970er Jahren eingeführt und hat sich seitdem zu einem Standardwerkzeug in Psychologie und Neurowissenschaft entwickelt.