Phylogeografie

Phylogeografie ist ein Fachgebiet der Biologie, das die historischen Prozesse untersucht, die heutige räumliche Muster genetischer Linien innerhalb einer Art oder eng verwandter Arten erklären. Ziel ist es, aus genetischen Daten und geographischen Informationen Rückschlüsse auf vergangene Verbreitungswege, Populationsdynamik, Refugien und Migrationspfade zu ziehen. Typische Fragestellungen betreffen die Lage früher Refugien, Routen der Ausbreitung und Barrieren für den Genfluss im Zuge klimatischer oder geologischer Veränderungen.

Die Datengrundlage umfasst Sequenzen oder Haplotypen mitochondrialer oder plastidärer DNA, nukleare Marker wie SNPs oder Microsatelliten sowie genomweite Datensätze. Analysen kombinieren phylogenetische Baum- oder Netzwerkanalysen mit coalescent-basierten Inferenzmethoden zur Schätzung von Divergenzzeiten, Migration und effektiver Populationsgröße. Oft werden diskrete oder kontinuierliche räumliche Modelle, Bayes’sche oder Maximum-Likelihood-Ansätze sowie Ansätze wie Approximate Bayesian Computation eingesetzt. Haplotypen oder Kladen werden geographisch annotiert, um Muster von Vergangenheit und Raum sichtbar zu machen.

Anwendungen finden sich in Zoologie, Botanik, Mikrobiologie, Epidemiologie sowie Naturschutzforschung. Typische Ergebnisse sind Karten verteilter Haplotypen, Identifikation historischer Refugien, Hinweise auf postglaziale Ausbreitungen oder geografische Barrieren wie Gebirge oder Gewässer. Phylogeografie trägt zum Verständnis der Artentstehung, der Populationsgeschichte und der Erhaltung genetischer Vielfalt bei, warnt aber vor Limitationen wie Sampling-Bias, Mutationsratenunsicherheit und deren Folgen für zeitliche Interpretationen.