Formkomplexität

Formkomplexität ist ein Begriff aus der Sprachwissenschaft, der die Komplexität der Formsysteme einer Sprache beschreibt, vor allem der Morphologie. Sie bezieht sich darauf, wie viele flexive oder derivationale Formen ein Wort oder eine Wortklasse besitzt und wie diese Formen durch Flexion, Derivation und Allomorphie strukturiert sind. Typischerweise umfasst sie neben der Größe der Paradigmen auch Merkmale wie Unregelmäßigkeit, Produktivität der Muster und die Verteilung von Formen.

Zur quantitativen Beschreibung von Formkomplexität werden verschiedene Maße verwendet, etwa die Anzahl der Formen pro Wortklasse, die Größe eines Paradigmas (z. B. Kasus, Numerus, Tempus, Modus), der Anteil unregelmäßiger Formen, sowie entropy-basierte Kennzahlen, die die Vorhersagebarkeit von Formformen messen. Schwierigkeiten ergeben sich durch plurikategoriale Systeme, diachrone Veränderungen und unterschiedliche Analyseebenen (Wortform, Lemma, Allomorph).

Typische Beobachtungen zeigen, dass Sprachen mit reichen Kasus- oder Tempus-Systemen tendenziell eine größere Formkomplexität aufweisen, während isolierende Sprachen weniger umfangreiche Formsysteme besitzen. Deutsch hat mehrere Kasus und starke bzw. unregelmäßige Verben; Finnisch oder Ungarisch weisen komplexe, agglutinative Paradigmen auf; Englisch besitzt vergleichsweise geringe Flexion, dafür viele unregelmäßige Verben. Diese Unterschiede beeinflussen Lernaufwand, Sprachverarbeitung und Computerlinguistik.

Formkomplexität wird in der Typologie, im Sprachvergleich und in der Sprachverarbeitung herangezogen. Sie ist kontextabhängig und oft nur in Relation zu anderen Merkmalen sinnvoll zu interpretieren; unterschiedliche Analysen, Korpusgrößen und Annotationen können zu verschiedenen Bewertungen führen. Kritisch betrachtet dient der Begriff eher als Orientierungskategorie als als absolute Größe.