Erzählwelt

Erzählwelt bezeichnet die fiktive Welt, in der eine Erzählung spielt. Sie umfasst das räumliche Setting, den zeitlichen Rahmen, soziale Strukturen, kulturelle Normen, physikalische oder ontologische Gesetze sowie die Hintergründe, die Figuren und Ereignisse beeinflussen. Die Erzählwelt ist konstitutiv für das Lese- oder Seherlebnis, weil Handlungen und Konflikte durch ihre Regeln möglich oder ausgeschlossen werden. Sie kann vollständig offengelegt oder nur skizzenhaft angedeutet sein, sodass Leserinnen und Leser Lücken füllen.

In der Narratologie wird die Erzählwelt oft als die diegetische Welt vom Erzählvorgang unterschieden. Sie steht im Gegensatz zu Begriffen wie Erzählzeit oder erzählter Zeit, die den zeitlichen Verlauf der Handlung betreffen. Analytisch wird untersucht, wie Stabilität und Plausibilität der Erzählwelt hergestellt werden, welche Details signalisiert werden und wie Koha­renz über Beschreibung, Dialog und Ereignisse hinweg entsteht. Eine Erzählwelt kann eigenständig in einem Werk existieren oder Teil eines größeren, gemeinsamen Universums sein, das mehrere Werke oder Medien umfasst (Worldbuilding).

Typische Ausprägungen der Erzählwelt reichen von realistischen bis zu fantastischen Welten. In der Fantasy oder Science-Fiction enthalten Erzählwelten oft eigene ontologische Regeln, Magie- oder Technologiesysteme, die das Handeln der Figuren bestimmen. In realistischer Fiktion ist die Welt eine plausible Version unserer eigenen oder eine sorgfältig rekonstruierte Vergangenheit oder Gegenwart. Die Erzählwelt dient damit als Rahmen, durch den Bedeutung, Motive und Konflikte der Erzählung verständlich werden.